Sonntag, 26. Oktober 2014

Ritterschlag für die Gamburg

Objekt des Interesses: Die Gamburg -- Foto: Friedrich Lehmkühler

Es waren zwei grandiose Tage in Bronnbach und auf der Gamburg. Unter dem Titel „Repräsentation und Erinnerung Herrschaft, Literatur und Architektur im Hohen Mittelalter an Main und Tauber“ ging es vor allem darum, die Randbedingungen zu vergegenwärtigen, unter denen um 1200 auf der Gamburg Wandmalereien zum Dritten Kreuzzug entstehen konnten, und diese und den Palas, in dem sie sich befinden, in den europäischen Kontext einzuordnen. Veranstalter waren das Landesarchiv Baden-Württemberg, die Universität Mannheim und die Universität Heidelberg. Gastgeber vor Ort waren das Staatsarchiv Wertheim in Bronnbach und die Familie v. Mallinckrodt auf der nahen Gamburg.

Das Programm hatte viel versprochen und hielt alles. In fast beschwingter Freude über das Erlebte gingen die Fachleute am Ende auseinander, nachdem sie Attraktivität und Ergiebigkeit interdisziplinärer Beschäftigung mit einem Thema sichtlich genossen hatten. Die produktive Atmosphäre hatte aber auch Wirkung auf die Laien, die gespannt und aufmerksam bei der Sache waren.



Das Veranstaltungsprogramm in Bronnbach und auf der Gamburg

Für die Gamburg und ihre Eigentümer mögen die Vorträge von Prof. Dr. Peter Rückert, Prof. Dr. Harald Wolter-von dem Knesebeck und von Dr. Judith Bangerter-Paetz von besonderer Bedeutung gewesen sein. Ohne Rückerts Forschungen und Vorarbeiten hätte es diese ertragreiche Veranstaltung vielleicht gar nicht gegeben. Mit seiner zeitlichen Einordnung der Wandmalereien auf „um 1200“ hatte von dem Knesebeck als der Experte für solche Kunstwerke „kein Problem“. Und dessen Vergleiche mit den höchstrangigen Werken dieser Zeit in Europa und das Einordnen der Gamburg in diese Reihe kam schon einem Ritterschlag gleich. Frau Bangerter-Paetz als Saalbau-Expertin nahm Ähnliches für den Palas der Gamburg vor und betonte dessen außergewöhnliche Bedeutung im Vergleich mit bedeutenden europäischen Saalbauten.

Die Veranstaltung des letzten Wochenendes eröffnet eine ganze Menge neuer Forschungsansätze, deren sich die Fachwelt nun hoffentlich annehmen wird. Voller Spannung darf man auch auf die Vorlage der Vorträge als Buch warten, was Peter Rückert übernommen hat. Der ehrgeizige Zeitplan sieht vor, dies im Jahr 2015 zu verwirklichen.

Für die kurz nach dem Gamburger Palas erbaute
Sigismundkapelle in Oberwittighausen hatte Prof. Dr.
Peter Rückert noch eine Überraschung parat ...
Er vermutet, mit allem Vorbehalt, dass die Pilgerfigur
am Portal Sigebotho von Zimmern zeigt, in dessen Herrschaft
die Kapelle lag. Sigebotho gehörte mit Beringer von Gamburg
zu den Teilnehmern des Dritten Kreuzzuges. 40 Jahre zuvor
hatten beider Väter zu den Stiftern des Klosters Bronnbach
gehört. -- Fotos: Friedrich Lehmkühler

Samstag, 1. März 2014

Etwas für Nussknacker

Ein interessantes Wissensgebiet, das der Kryptologie, habe ich dieser Tage wiederentdeckt, nachdem ich mir das Buch »Nicht zu knacken — Von ungelösten Enigma-Codes zu den Briefen des Zodiac-Killers« von Klaus Schmeh gekauft und zu lesen begonnen habe. Sein Blog »Klausis Krypto Kolumne« findet man hier: http://scienceblogs.de/klausis-krypto-kolumne/.


Unter dem Begriff der Kryptologie werden die Kunst der Kryptographie, also des Verschlüsselns, und der Kryptoanalyse, also des Code-Knackens, zusammengefasst. Da derlei Kunstfertigkeiten bislang vor allem von Geheimdiensten gepflegt werden, liegt es in der Natur der Sache, dass Details, wenn überhaupt, meist erst nach Jahrzehnten bekannt werden. Heerscharen von Mathematikern, Informatikern und Linguisten in staatlichen Diensten bemühen sich mit riesigem Aufwand, die Geheimnisse der jeweils eigenen Seite zu schützen und die des Gegners aufzudecken. Eine Unzahl spannender Geschichten rankt sich um Erfolge und Misserfolge.

Mir fiel bei der Lektüre des Buches ein, dass mir vor einiger Zeit eine über 50 Jahre alte Ansichtskarte wieder einmal in die Hände gefallen war, die mir mein Schulfreund Jumbo damals an meinen Ferienort geschickt hatte. Das Besondere daran war, dass der Inhalt verschlüsselt war. Wir hatten damals als etwa 15-Jährige einen Schlüssel vereinbart — nicht, weil das, was wir uns zu schreiben hatten, der Geheimhaltung bedurft hätte, sondern eher, um uns im Ver- und Entschlüsseln zu üben und um unser familiäres Umfeld zu necken und neugierig zu machen, weshalb nur offene Postkarten zum Einsatz kamen.

Als mir ein halbes Jahrhundert später die erwähnte Karte von Jumbo wieder in die Hände fiel, war guter Rat teuer. Zwar konnte ich mich noch schemenhaft erinnern, wie der Schlüssel aufgebaut war und im Prinzip funktionierte. Der Schlüssel selbst war aber schon lange Jahrzehnte nicht mehr vorhanden. Was tun?

Inzwischen gibt es gute Bücher und Computerprogramme, die einem bei der Suche nach dem richtigen Weg helfen können. Klaus Schmeh erwähnt in seinem Buch zum Beispiel das Open-Source-Programm »Cryptool«. Die zugehörige Webseite http://www.cryptool.org/de ist eine wahre Fundgrube.

Der alte Kartentext sollte, zumindest mit Computerhilfe, wieder in Klartext verwandelt werden können. Wer sich an den ersten 200 Zeichen versuchen möchte, ist herzlich eingeladen. Dem Ersteinsender des geknackten Textes, der zudem sein Vorgehen bitte erläutern möge, spendiere ich wahlweise ein Schnitzel und ein Bier oder Kaffee und Kuchen oder ein Buchgeschenk. Frisch ans Werk!

ELIHW ASEEB SERNK ANSER TMNBA EWENE IHNDT TTERD SMIEC EJEAM HTSMA EBENI ZTABE SIUSN ICREI TSIEN HWÜST DAZEN ISTES CBIMN RJOGK ANBIA TNUM3 GAERA EMNGK ULILS HOABA CHMIT SHEES ALTRL EDADI EAUNN IEOHR DFZMU ILENS EFÜNT TENLL ENMUB SWKEE RAELI

Dienstag, 13. August 2013

Wertheim Lake in Kanada

Prinzessin Anne zu Löwenstein-Wertheim-Freudenberg
beim King's Cup Race 1923.
Dass vor allem jüdische Menschen seit Jahrhunderten die Namen Wertheim und Wertheimer in alle Welt getragen haben, dass weiß man an Main und Tauber. Dass es aber in der kanadischen Provinz Ontario sogar einen See gibt, der diesen Namen trägt, Wertheim Lake, das ist sicher weniger bekannt.

Namensgeberin wurde posthum Prinzessin Anne zu Löwenstein-Wertheim-Freudenberg (1864–1927), eine geborene Lady Anne Savile, Tochter von John Savile, dem vierten Earl of Mexborough. 1897 hatte sie in London den in Kreuzwertheim geborenen Prinzen Ludwig Karl zu Löwenstein-Wertheim-Freudenberg (1864–1899) geheiratet, den sechsten Sohn des Fürsten Wilhelm (1817–1887).

Aus welchen Gründen auch immer, Ludwig, im Londoner gesellschaftlichen Leben bestens vernetzt, verschwand, kaum dass er ein Jahr verheiratet war, auf rätselhafte Weise von der Bildfläche, um bald darauf auf den Philippinen im Spanisch-Amerikanischen Krieg aufzutauchen. Im unmittelbar anschließenden Philippinisch-Amerikanischen Krieg fand er im März 1899 als Zuschauer bei einem Gefecht in Furageros am Stadtrand von Manila den Tod. Über seine undurchsichtige Rolle auf den Philippinen und seinen Tod durch eine amerikanische Kugel berichtete die Presse in mehreren Artikeln [1] [2] [3] [4].

Seine Witwe, die durch ihre Heirat Deutsche geworden war, nahm unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg wieder die britische Staatsangehörigkeit an. Sie war technisch offenbar sehr interessiert. So berichtete die New York Times 1913, dass sie mit einem selbstbalancierenden Bett gegen Seekrankheit, einer eigenen Erfindung, in New York eingetroffen sei.

1914 bestieg sie erstmals ein Flugzeug – und war fortan von der Fliegerei gefangen. Sie befreundete sich mit Captain Leslie Hamilton, einem Flieger-As des Ersten Weltkriegs, in dessen Maschine sie im King’s Cup Race 1923 mitflog. Zwischen 1922 und 1927 gehörte sie zur Flieger-Szene in ihrem Heimatland, nahm als Pilotin und als Mitfliegerin, unter anderem in einer eigenen Maschine, an Rennveranstaltungen und Flugereignissen teil. Als sie 1925 mit Hamilton von London nach Paris fliegen wollte, wurde die Maschine zuletzt in Folkstone gesehen und war verschwunden. Eine Suchaktion im Ärmelkanal begann. Schließlich wurde die Maschine in Pontoise am Stadtrand von Paris entdeckt, wo sie mit Maschinenschaden hatte notlanden müssen. Prinzessin Anne errang bei ihren Unternehmungen als Pilotin mehrere Flugrekorde.

Ihren letzten Flug trat sie am 31. August 1927 an. Sie hatte Hamiltons Versuch finanziert, erstmals den Atlantik von Ost nach West, von England nach Kanada, zu überqueren, nachdem dies Charles Lindbergh in umgekehrter Richtung  ein Vierteljahr zuvor gelungen war. Gegen alles gute Zureden ihrer Verwandten bestieg sie mit Hamilton und Colonel Frederick F. Minchin den mit einem 450-PS-Jupiter-Bristol-Motor ausgerüsteten Fokker-Eindecker Saint Raphael, der um 7.32 Uhr vom Flugplatz Upavon in Wiltshire abhob.  Zuletzt wurde Saint Raphael mitten über dem Atlantik von der Besatzung der USS Josiah Macy gesichtet. Dann verschwand das Flugzeug.

Am 6. Februar 1928 erklärte ein Londoner Gericht Prinzessin Anne zu Löwenstein-Wertheim-Freudenberg für tot, als Todestag gilt der 2. September 1927. Noch 1928 wurden in der kanadischen Provinz Ontario einige Seen zu Ehren von Fliegern benannt, die ihr Leben bei Pioniertaten verloren hatten. Neben dem St Raphael Lake gibt es seither auch den Hamilton Lake, den Minchin Lake und den Wertheim Lake. Lezterer ist etwa 14 Kilometer lang und anderthalb Kilometer breit.

Quellen im Netz: [1] [2] [3] [4] [5] [6]


Prinzessin Anne und Captain Leslie Hamilton wenige Tage vor ihrem Abflug
1927. Charmanterweise vom Reporter auf »about 50« geschätzt, war die
couragierte Pilotin tatsächlich 63 Jahre alt. -- Vorlage: National Air and
Space Museum, Smithsonian Institution

Donnerstag, 6. Juni 2013

Gegen das Vergessen

Gedenkfeier am Neuplatz, im Vordergrund die Linie des Abendschattens
der ehemaligen Wertheimer Synagoge. -- Foto: Friedrich Lehmkühler

Unter dem Motto »Gegen das Vergessen« hat sich seit längerer Zeit der Verein »Pro Wertheim« Gedanken gemacht um eine Aufwertung des Gedenkens an die uralte jüdische Gemeinde Wertheims, die mit der Deportation ihrer letzten Mitglieder am 21. Oktober 1940 erloschen ist. Am Platz der ehemaligen Synagoge am Neuplatz gibt es in einer Ecke zwar seit der Neugestaltung des Areals eine Gedenktafel — aber doch sehr versteckt und für den ortsunkundigen Gast leicht zu übersehen.

Das ist nun anders. Ein Lesepult mit den Namen der ermordeten Wertheimer Juden, ein metallener Davidsstern im Blickfeld der Passanten, Informationstafeln am Neuplatz, Zusatzstraßenschilder »Frühere Judengasse« und Gerber- und Wehrgasse sowie die Kenntlichmachung des Abendschattens der 1961 abgerissenen ehemaligen Synagoge durch dunklere Pflastersteine sind erste Maßnahmen, die, gebilligt vom Gemeinderat der Stadt Wertheim und finanziert durch Spenden, die Erinnerung an einen wichtigen Teil der Wertheimer Geschichte tatsächlich aus der Ecke holen.

Am Mittwochvormittag versammelten sich fast 50 Wertheimer am Neuplatz, um mit einer würdigen kleinen Feier die Übergabe des ersten Abschnitts des Projektes »Gegen das Vergessen« an die Stadt Wertheim zu begehen. Umrahmt durch musikalische Darbietungen von Streichern der Jugendmusikschule, sprachen »Pro-Wertheim«-Vorstandsmitglied Werner Peschke sowie Oberbürgermeister Stefan Mikulicz und Johannes Ghiraldin vom Verein zur Erforschung jüdischer Geschichte und Pflege jüdischer Denkmäler im tauberfränkischen Raum e. V. über die Absichten der Initiatoren, die Bedeutung des Erinnerns für die Stadt und über die Geschichte des jüdischen Volkes. Ein Rundgang und ein Verweilen im Gespräch beschlossen die Gedenkstunde.

Es ist ein überfälliger Anstoß, der fast gleichzeitig mit dem Projekt »Stolpersteine« in die Tat umgesetzt wird. Immerhin haben die letzten Wertheimer Juden bereits vor 73 Jahren die Stadt verlassen — unfreiwiilig, verhöhnt, misshandelt und vielfach dem Tode geweiht. Es ist höchste Zeit, dies vor dem Vergessen zu bewahren, wie man an dem Angriff auf einen Rabbiner in Offenbach in dieser Woche und an anderen antisemitischen Umtrieben leicht erkennen kann.

NIE WIEDER!

Montag, 3. Juni 2013

Besser als Kino: Blaumeisen (II)

Eine Änderung des Geschehens der letzten Tage zeichnete sich am vergangenen Freitag ab. Tagelang hatten Zwitschern und  Bettelrufe im Nistkasten hörbar an Lautstärke und Kraft zugenommen. An diesem Morgen, es mag halb zehn gewesen sein, ließ sich das erste Köpfchen am Flugloch sehen. Aufmerksam musterte der Jungvogel die Umgebung, schaute nach allen Seiten und nach unten – und begann, lauthals um Futter zu betteln.

Wo bleibt mein Futter? -- Fotos: Friedrich Lehmkühler
Prompt wird der Nachschub geliefert.

Bis gegen elf Uhr ging es so weiter, bis der Jungvogel erste Anstalten machte, sein Nest zu verlassen. Immer weiter streckte er den Kopf hervor, den gegenüberliegenden Zweig fest im Blick.

Immer weiter kommt der kleine Körper aus dem Flugloch, streckt
sich immer mehr in die Länge ...
... und, schwupps, schon ist der Zweig erreicht. Während auch dort das Betteln
um Futter weitergeht, macht sich das nächste Geschwisterchen abflugbereit.

Die ersten vier Geschwisterchen flogen rasch nacheinander aus. Eine ganze Weile länger brauchte Nummer fünf. Da fehlte es offensichtlich an Mut. Die Beinchen auf den Rand des Flugloches und ab, wie die Geschwister es vorgemacht hatten, das erschien doch zu riskant. Zweimal waren ein Flügel oder sogar beide schon aus dem Nistkasten heraus, doch dann folgte die Flucht nach hinten. Rasch war der Körper wieder im Innern, und die Mutter musste noch ein paar fette Bissen füttern, bis es nach etwa 20 Minuten zum dritten Versuch kam.

Dritter Versuch von Nummer fünf: ganz lang strecken und ...


... doch wieder nicht? ...

... Doch! Endlich!

Geschafft! Stolz wie Oskar und etwas erschöpft sitzt Nummer fünf auf dem
Zweig, während Geschwisterchen Nummer sechs noch einmal gefüttert wird.

Nachdem es schließlich doch geklappt hatte, folgte der sechste Jungvogel wenige Minuten später, ohne zu zögern. Doch dann war nach insgesamt etwa einer Dreiviertelstunde erst einmal Schluss. Nummer sieben ließ zweifelsfrei erkennen, dass Ausfliegen nicht auf dem Programm stand. Das Köpfchen war zwar zu sehen, aber die Schnabelspitze ragte keinen Millimeter aus dem Flugloch heraus. Trotz eifrigen Fütterns durch die Mutter war bald klar: Der Flugtag war vorbei.

Düsteres Regenwetter am Samstag mit wahren Wolkenbrüchen schien kein gutes Flugwetter zu sein. Zwar lieferte Mutter Blaumeise den ganzen Tag kleine Raupen und Insekten, doch die Jungen – nach dem Konzert aus dem Innern wohl mehr als eines – blieben unsichtbar. Viertel nach acht am Sonntagmorgen sah man erstmals wieder ein Köpfchen am Flugloch. Bald streckte es sich weiter hervor, und kaum dass man sich versehen hatte, saß es auf dem Zweig vor dem Nistkasten. Nummer acht folgte rasch nach, die Mutter schaute noch einmal in den Nistkasten, ob wirklich alles leer sei – und schon war Familie Blaumeise entschwunden.

Für das unbeschwerte Terrassenleben, ohne dass man Sorge haben müsste, die kleinen Gäste zu stören, fehlt nun nur noch das passende Wetter. Der Sommer darf kommen.

Besser als Kino: Blaumeisen (I)

In den letzten Wochen herrschte vor unserem Küchenfenster Hochbetrieb und zwar bei dem Nistkasten, den wir im zeitigen Frühjahr in nur etwa 2,20 Meter Höhe so aufgehängt hatten, dass man ihn von der Küche, aber auch vom Essplatz im Wohnzimmer aus gut beobachten kann. Die Frage war nur, ob ein Paar der zahlreichen Singvögel, die wir den ganzen Winter über in ähnlicher Höhe und Entfernung vom Haus reichlich gefüttert hatten, so nah brüten würde. Zur Not gab es ja noch den in etwa 3,50 Meter Höhe in einigen Metern Entfernung angebrachten Nistkasten, in dem schon im vorigen Frühjahr ein Blaumeisenpaar gebrütet hatte.

Ende März, Anfang April sah man dann plötzlich drei Blaumeisen in den Büschen und Bäumen vor dem Haus. Es herrschte rege Geschäftigkeit, man jagte sich, man war aufgeregt. Offensichtlich balzten zwei Männchen um die Wette um die Gunst einer Meisendame. Das ging ein paar Tage, bis nur noch zwei Vögel zu sehen waren, die sich nun mit der Paarung beschäftigten. Sie hatten den neuen Nistkasten inspiziert und offenbar akzeptiert. Denn bald schon begann eifriger Flugbetrieb, bei dem allerlei Polstermaterial durchs Flugloch hineingetragen wurde.

Wann genau das Brüten begann, haben wir nicht ganz exakt mitbekommen. Man sah die Altvögel gelegentlich ein- und ausfliegen. Das Gelege blieb aber nie länger als vielleicht fünf Minuten allein, bevor es wieder gewärmt wurde. Mitte Mai schlüpften dann die Jungen. Man konnte es an einem plötzlich dramatisch ansteigenden Flugbetrieb ablesen: Hungrige Mäuler mussten gestopft werden.

Füttern von Sonnenaufgang bis zum Abend:
Altvogel vor dem Nistkasten -- Fotos: Friedrich Lehmkühler

Der Partner ist auch da ...

... hinein mit der Beute, die Kinder rufen ...

... und ab zum nächsten Einsatz!

Dienstag, 28. Mai 2013

Gisèle im 101. Lebensjahr gestorben

CASTRVM PEREGRINI in Amsterdam hat heute eine betrübliche Pressemitteilung herausgegeben:

»Long expected but still it came as a surprise: our great friend and companion Gisèle passed away yesterday evening, 27 May 2013, age 100. She is now at the 'top floor' surrounded by her late friends and her father and mother, for whom she longed.


It is good like that. We are grateful that she could enjoy her being-here up until the end. She knew time and again how to arrange herself with her changed condition. We are extremely thankful to all those, who have made this possible.«


Gisèle d'Ailly van Waterschoot van der Gracht (1912–2013) -- Foto: Koos Breukel

Mit dem Heimgang der Malerin Gisèle d'Ailly van Waterschoot van der Gracht ist der klein gewordene Freundeskreis von Wolfgang Frommel (1902–1986) um eine ganz zentrale Figur verkleinert worden. In ihrem Haus an der Herengracht 401 in Amsterdam fand der mit Wertheim eng verbundene Exilant im Zweiten Weltkrieg nicht nur selbst Aufnahme. Gemeinsam mit der Hausherrin gab er verfolgten jungen Männern, jüdischer Herkunft zumal, Unterschlupf und geistige Heimat.

Das Castrum Peregrini, so der damalige Deckname des Hauses, wurde nach dem Krieg zu einem kulturellen Zentrum hohen Ranges, in dem Kunst, Literatur, Freundschaft und Kommunikation bis heute eine Heimstatt haben und das ohne Gisèles Engagement und ihr Zusammenwirken mit Wolfgang Frommel kaum vorstellbar wäre. Um fast 27 Jahre überlebte Gisèle ihren Freund.

Zahlreiche Freunde, ältere und jüngere, müssen nun Abschied von ihr nehmen.