Samstag, 14. Juli 2012

Heykings Gäste (II)

Ergänzungen zur Liste der Gäste Edgar Baron Heykings hat mir in dieser Woche der Wertheimer Ehrenbürger Helmut Schöler (* 1930) zukommen lassen, der nach dem Krieg zuerst allein und später mit seiner jungen Familie bis 1966 selbst im Schlösschen gewohnt hat und mit Heyking befreundet gewesen ist. Er hatte mir auch bereits den Hinweis auf Siegfried von Vegesack gegeben.

Helmut Schöler schreibt: Einer der häufigsten Besucher war Pfarrer Willy Ratzel, einer der engsten, persönlichen Freunde Heykings. Er war »Mitglied« des Georgekreises oder stand ihm sehr nahe. Er sprach von George stets nur als vom »Meister«. Die georgeanischen »Freunde«, wie sie sich nannten, hätten Willy Ratzel oft in Bettingen am Main (heute eingemeindet in die Stadt Wertheim) besucht, wo er vor dem Krieg als Pfarrer tätig war. Man sei dann über den Umlaufberg bei Kreuzwertheim, das sogenannte Himmelreich, ans Mainufer gegenüber Bettingen gewandert und habe sich durch Rufen über den Fluss beim Fährmann bemerkbar gemacht.

Willy Ratzel war übrigens der Sohn des Pfarrers Ratzel, der in Wertheim die Hospitalpfarrei mit Waldenhausen betreut hatte. In seinem Pfarrhaus, Mühlenstraße 45, hatte von 1920 bis zu seinem Abitur 1922 Wolfgang Frommel gewohnt.

Willy Ratzel war nach dem Krieg hoch angesehener Pfarrer in Karlsruhe. Er hielt wiederholt im Radio die evangelische Weihnachtspredigt. Von Heyking erbte er das möglicherweise sehr wertvolle Bild »Madonna mit dem Kinde«, das im Hofgarten in Heykings kleinem Wohnzimmer hing, schreibt Helmut Schöler weiter.

Helmut Schöler erinnert sich auch der Besuche eines Herrn (von?) Pritschow, der von einer sehr kleinen Lehrerpension im engen Kontakt mit anderen dort lebenden Georgeanern im Tessin lebte. Er hatte sich wohl in jungen Jahren pensionieren lassen, was damals unter großem Geldverzicht möglich war, um sich ganz seiner Liebe zur Literatur zu widmen. Er war ein vor Kraft strotzender Mann und ein glänzender, amüsanter Erzähler. 

 Im Adressbuch Heykings findet sich ein Dr. Heinz Pritschow, der zunächst unter einer Adresse in Berlin-Lichterfelde verzeichnet ist, wo er offenbar als Lehrer tätig war. Später hat Heyking ihn unter einer Adresse in Freudenstadt notiert, wobei er diesmal einen Doppelnamen einträgt: Dr. H. Pritschow-Frankenstein.

Seite aus dem Adressbuch Baron Heykings

Zu Pfingsten kam des Öfteren der Freiburger Ordinarius für Physik, Prof. Helmut Hönl mit seiner Frau. Auch er gehörte eventuell sogar zum engeren Georgekreis. Die Hönls gehörten auch zu den persönlichen Freunden Heykings, berichtet Helmut Schöler weiter. Auch Hönl findet sich in Heykings Adressbuch, einmal mit einer Stuttgarter Adresse, die später durchgestrichen und durch eine Adresse in Freiburg-Zähringen ersetzt wurde. Ein späterer Eintrag vermerkt Helmut Hönl, diesmal ohne akademische Titel, mit einer Adresse in Ebnet bei Freiburg, »bei Zimmermann«. Ob Heyking Hönl aus seiner eigenen Freiburger Zeit vor dem Ersten Weltkrieg kannte, als er selbst dort Nationalökonomie studiert hatte, ist unbekannt.

Weiter Helmut Schöler: In den frühen 50er Jahren kam Dr. Burger, vermutlich ein Exponent der Heidelberger Literaturszene. Ich fand ihn aus anderen Gründen gut, denn er lieh mir sein Motorrad. Ich konnte mir noch keines leisten. 

Hier handelt es sich zweifellos um Dr. Erich Burger, der mit Heidelberger Adresse in Heykings Adressbuch steht. Er hatte schon Anfang der 1920er Jahre als Wertheimer Gymnasiast zum Freundeskreis um Willy Hellemann und seine Schüler, unter ihnen Wolfgang Frommel, gehört. Er war Bewohner des Wertheimer Melanchthonstifts, wo auch zu meinem Zeiten (Abitur 1966) noch manche Heidelberger Mitschüler wohnten, für die ein Schulwechsel in die Provinz angeraten erschienen sein mag. Burger schaffte es im März 1954 als stellvertretender Vorsitzender und Geschäftsführer im Zentralverband südwestdeutscher Rundfunkhörer sogar einmal in das Magazin Der Spiegel, doch bin ich sicher, dass dieser Nebenaspekt ihn als Person nicht  hinreichend beschreibt.

Wer zu den erwähnten Gästen Heykings weitere Ergänzungen beitragen kann oder weitere Gäste benennen kann, ist herzlich gebeten, sich an mich zu wenden. Wer an meinem 2006 erschienenen Artikel Hamlet und die Prominenz über die Wertheimer Runde zwischen den Weltkriegen interessiert ist, darf sich gern um eine PDF-Kopie an mich wenden. Gleiches gilt für die Artikel meiner Schwester Sabine, Gründerin und Inhaberin der Kulturwerkstatt Tübingen, die in mehreren längeren Artikeln über die Bewohner des Schlösschens zwischen der Mitte des 19. Jahrhunderts und 1996 geschrieben hat. Breiten Raum nehmen darin natürlich die 25 Jahre Edgar v. Heykings und seine Zöglinge ein.

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