Samstag, 7. Juli 2012

Heykings Gäste (I)

Edgar v. Heyking (1891-1956), baltendeutscher Baron aus Gr. Iwanden in Kurland, kam 1925 als Gesellschafter des Fürsten Ernst zu Löwenstein-Wertheim-Freudenberg nach Wertheim bzw. Kreuzwertheim. Als dieser 1931 kinderlos starb, wurden Heykings Dienste von seinem Neffen und Nachfolger, Fürst Udo, nicht mehr benötigt. Dem Baron wurde die ehemalige fürstliche Sommervilla, das sogenannte Schlösschen im Hofgarten, als Wohnung überlassen. Seit der zweiten Hälfte der 1860er Jahre bis 1996 war die geräumiger Immobilie ständig vermietet, meist an mehrere Parteien. Heute ist das Schlösschen ein Kunstmuseum und samt Park im Eigentum einer Stiftung.

Baron Heyking lebte hier von 1931 bis zu seinem Tod 1956. Nach dem Verlust des großen Familienbesitzes im Baltikum lebte er in wirtschaftlich sehr beengten Verhältnissen und hielt sich unter anderem durch den Betrieb eines kleinen Pensionats für externe Wertheimer Gymnasiasten über Wasser, denen er humanistische Werte zu vermitteln suchte.

Etliche Freunde, die meisten wie Heyking selbst Anhänger oder gar Freunde des Dichters Stefan George (1868-1933), besuchten während der 25-jährigen Ära Heyking das Schlösschen. Manche kamen nur einmal, andere häufiger und regelmäßig. Darüber gibt es eine Reihe von Berichten. Im Säulentempel im Park deklamierte man Gedichte Georges und anderer aus seinem Kreis.

Der "Wertheimer Kreis" oder die "Wertheimer Runde" hatte sich in den Jahren 1920/22 gebildet, also lange vor dem Eintreffen Heykings in Wertheim 1925 und vor dem Umzug ins Schlösschen 1931. Jedoch gehörten viele davon später zu den Besuchern im Schlösschen. Ich möchte versuchen, den Kreis der Besucher, der über andere lokale Zusammenhänge hinausreichte, festzuhalten, und bitte um Mitteilung, falls meine Liste ergünzt werden kann.

Sicher in Wertheim bei Heyking zu Gast war der baltendeutsche Adlige und Schriftsteller Siegfried v. Vegesack (1888-1974). Allerdings scheint er keinen georgeanischen Hintergrund gehabt zu haben, sondern war vermutlich eher ein Bekannter oder gar Verwandter aus dem baltischen Kontext.

Verbürgt ist auch die zeitweilige Anwesenheit von Wolfgang Frommel (1902-1986), Percy Gothein (1896-1944), Achim v. Åkerman (1909-1945) und von Alexandra Röhl (1899-1976), der Mutter von Heykings erstem Zögling, Thülö Röhl (1920-1943). Bisher weiß ich nicht, ob Willy Hellemann (alias Hans Boeglin, 1893-1969) je wieder in Wertheim war, nachdem er in den 1920er Jahren seine Frau und zwei kleine Kinder hier hatte sitzen lassen. Sicher im Schlösschen war auch der eine oder andere Wertheimer Freund, ohne dass ich darüber im Detail genaue Nachricht hätte.

Nachweislich waren vor dem Krieg Prof. Dr. Joachim Wach (1898-1955), Religionswissenschaftler aus Leipzig und Mendelssohn-Bartholdy-Enkel, und Ernst Morwitz (1887-1971), Jurist, Schriftsteller, Übersetzer und Hochschullehrer, im Schlösschen zu Gast. Vor und nach dem Krieg hielt sich der Maler Fritz Kotzenberg (alias Friedrich Martinotto) gelegentlich bei Heyking auf – und zeichnete ihn und andere Freunde.

Nach dem Krieg war das Schlösschen für viele verabredeter Treffpunkt. So traf beispielsweise Achim v. Åkermans Witwe Rosemarie v. Åkerman mit ihrem 1944 geborenen Söhnchen hier ein. Auch Angehörige des 1934 von Gothein in Hermannstadt begründeten »Siebenbürgener Kreises« wandten sich nach Kriegsende nach Wertheim, darunter Siegfried Baumann (*1918), sein Bruder Helmut, der Musiker Heim Harro Scheiner und der Künstler Silvio Siermann (*1926).

Aus Wolfgang Frommels neuer Heimat Amsterdam und dem Umfeld des Castrum Peregrini haben ihn nach dem Krieg unter anderem Manuel R. Goldschmidt und Friedrich W. Buri bei einem seiner Besuche in Wertheim begleitet. Ob sie auch bei Heyking waren, was man vermuten könnte, ist mir nicht sicher bekannt.

Wer hat Belege für Besuche weiterer Künstler und Intellektueller als Gäste im Schlösschen?

Im Lazarett Goldberg/Schlesien am 20. Juli 1943:
Achim v. Akerman (vorn), seine Frau Rosemarie
und Edgar Baron Heyking

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