Dienstag, 25. September 2012

Auch Nr. 23 ist geschafft!

Es ist geschafft. Zum 23. Mal ist die alljährliche Beilage der Wertheimer Zeitung zur Michaelis-Messe unter meiner Verantwortung entstanden – und seit heute gedruckt. 88 Seiten, je zur Hälfte von Redaktion und Anzeigenabteilung belegt, sind bereit zur Auslieferung. Am Donnerstag und Freitag wird die Beilage an alle Haushalte in den Einzugsgebieten der Redaktionen Wertheim, Miltenberg und Marktheidenfeld verteilt werden.

Es war auch diesmal nicht anders als in all den Jahren zuvor: Zum Schluss geht derjenige, der knapp vier Wochen lang alles geplant, gesteuert, redigiert und technisch bearbeitet hat, regelrecht auf dem Zahnfleisch, ausgepowert, urlaubsreif. Doch eines war nicht wie immer. Für mich war dieses Mal das letzte Mal, bevor das seit dem 1. Juni 1970 ununterbrochene Arbeitsleben demnächst sein Ende findet.

Unter den 18 redaktionellen Artikeln der Beilage sind auch diesmal wieder eine ganze Reihe für den historisch und/oder kulturell interessierten Leser gedacht, wie man sie in diesem Umfang und in dieser Form in der laufenden Tageszeitung so gut wie gar nicht unterbringen kann.

So schreibt Wolf Wiechert, dessen Wahlheimat Wertheim-Nassig im nächsten Jahr den 800. Jahrestag der ersten urkundlichen Erwähnung feiert, in literarischer Form, garniert mit zwei Gedichten, über Mergart. Sie war die erste mit Namen überlieferte Nassigerin. Anlass war ihre Entlassung aus der Leibeigenschaft im frühen 13. Jahrhundert. Und er schreibt über einen uralten Weg, dessen Spuren im Rasen seines Gartens in sommerlichen Trockenphasen regelmäßig sichtbar werden.

Über die Geschichte markanter Häuser in der Wertheimer Altstadt und über eine heute vergessene mildtätige Stiftung des 18. Jahrhunderts, die bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts bestand,  hat Stadtarchivar i. R. Erich Langguth, der übrigens Anfang Dezember 89 Jahre alt wird, drei Beiträge geliefert.

Der Würzburger Historiker Dr. Robert Meier hat sich mit der erstaunlich prosperierenden Lage der Wertheimer Gastwirtschaften mitten im Dreißigjährigen Krieg befasst. Und die Wertheimer Kunsthistorikerin und Volkskundlerin Dr. Marion Diehm hat die Geschichte des einstigen Wertheimer Flussschwimmbades am Main erkundet. Museumsdirektor Dr. Jörg Paczkowski hat sich mit dem Tod des Wertheimer Fürsten Dominik Marquard beschäftigt, den dieser 1735 mitten im venezianischen Karneval fand – der Sage nach durch Mörderhand mit einem gläsernen Dolch.

Gerd Brander, ein begnadeter Wertheimer Hobbyfotograf mit Hang zum Großformat, hat diesmal zu einer kleinformatigen digitalen Infrarotkamera gegriffen, um die über 800-jährigen Wandmalereien auf der Gamburg bei Wertheim, übrigens die ältesten profanen Malereien nördlich der Alpen, unter neuen Aspekten zu dokumentieren. Da er auf das Großformat aber nicht ganz verzichten mochte, gibt es eine weitere Seite von ihm mit Aufnahmen des versteckt gelegenen und kaum bekannten herrschaftlichen Renaissancebaus der Eulschirbenmühle, die an der Tauber zwischen Gamburg und dem Kloster Bronnbach liegt und einer der zahlreichen mittel- und westeuropäischen Schauplätze der Melusinensage ist.

Meine Schwester Sabine, Gründerin und Inhaberin der Kulturwerkstatt Tübingen, hat drei Artikel beigesteuert. Ihr Hauptartikel befasst sich mit den zahlreichen Menschen, die während des Zweiten Weltkriegs und danach Notquartier oder Unterschlupf im Kreuzwertheimer Schloss des Fürstenpaares Udo und Margarete zu Löwenstein-Wertheim-Freudenberg fanden, der Großeltern des heutigen Fürsten Ludwig. Über einen dieser Gäste, einen Cousin Fürst Udos, den Generalmajor und Ritterkreuzträger Alexander v. Pfuhlstein und seine Verbindungen zu den Attentätern vom 20. Juli 1944 hat sie einen eigenen Artikel verfasst. Ein weiterer Artikel beschäftigt sich mit dem Exponenten der Bekennenden Kirche in Wertheim in den 1930er Jahren, Pfarrer Adolf Meerwein.

Der Reigen der kulturhistorischen Beiträge schließt sich mit meinem Aufsatz über Wolfgang Frommel und seine Beziehungen zu zwei Wertheimer Familien Langguth. Er basiert auf Gesprächen mit Erich Langguth und auf Briefen aus 60 Jahren, aus denen er mir vorgelesen hat.

Weitere Aufsätze über Fledermäuse (Karin Hasenstab), Wassermühlen in Wertheim und Umgebung (Rainer Raffel), die Arbeit des Amtsgerichts Wertheim (Siegfried Albert), Orte des Lärms und der Stille in Wertheim (Günter Herberich) und das persönliche Erleben der deutschen Einheit (Gusti Kirchhoff) runden die Beilage ab.

Mittwoch, 19. September 2012

Wer kennt Lindenau?

Ein westlicher Stadtteil  Leipzigs verbirgt sich hinter diesem Namen. Das wäre nicht weiter erwähnenswert, gäbe es dort nicht die Prosawerkstatt Anna Kaleris, einer Literaturwissenschaftlerin und Schriftstellerin, die just dieser Tage ihren neuen Masuren-Roman »Der Himmel ist ein Fluss« veröffentlicht.

Ein neues Stadtteilprojekt der Prosawerkstatt und anderer Lindenauer Einrichtungen ist in meinem Augen eine sehr hübsche Idee. Jeder ist aufgefordert, sich an der Einreichung von »Lindenauer Taschentuchgeschichten« zu beteiligen. Diese dürfen maximal 1500 Anschläge umfassen, damit sie auf ein altes Taschentuch gedruckt werden können, das man dann zum Preis von zwei Euro erwerben kann. Auch um Taschentuchspenden dafür wird gebeten.

Der Ursprung dieser hübschen Idee scheint in der örtlichen Kneipe »Taschentuchdiele« zu liegen. So nannten die Lindenauer die »Julius Hoffmann Bierstuben« in der Eisenbahnstraße, weil hier früher die Lampenschirme mit karierten Taschentüchern überzogen waren.

Nun hat nicht jeder in seinem Leben mit Lindenau zu tun und würde sich deshalb vielleicht schwer tun, eine Taschentuchgeschichte zu schreiben. Aber mancher hat auch Glück. Wie ich. Als ich nämlich im Herbst 1983 mit meinem damals vierjährigen Sohn Uwe in Leipzig war, bekam dieser über Nacht Bauchweh und Durchfall. Weil der nächste Morgen ein Sonntagmorgen war, mussten wir zur Notfallambulanz in die Poliklinik West hinausfahren, und die lag im Stadtteil Lindenau. Zwei Taschentuch-Kurzgeschichten sind fast 30 Jahre später aus diesem Tag entanden, die eine nach einiger Feilerei 1497 Zeichen lang, die andere 1498.

Nun heißt es abwarten und Tee trinken. Aber das Wichtigste ist ja erledigt: ein schönes Projekt zu unterstützen.

Dienstag, 11. September 2012

Happy Birthday, Gisèle!

Heute feiert in Amsterdam Gisèle van Waterschoot van der Gracht ihren 100. Geburtstag. Große Zeitungen wie die FAZ oder Die Welt, dazu Rundfunk und Fernsehen, würdigen in diesen Tagen ihr langes und so reiches Leben als Künstlerin und als ganz außergewöhnlicher Mensch.

Ihr Haus in der Herengracht 401 war es, das in den Kriegsjahren der deutschen Besetzung der Niederlande zu jenem Castrum Peregrini wurde, das heute ein Mythos und eine Chiffre für Menschlichkeit, Freundschaft, Kunst und Kultur ist. Wolfgang Frommel fand hier bei Kriegsbeginn Unterschlupf – und blieb bis zu seinem Tode 1986. Gisèle und er boten hier während des Krieges jungen »Untertauchern«, viele von ihnen jüdischer Herkunft, Schutz und Heimat.

Bald nach dem Krieg waren es Gisèle, Wolfgang Frommel und weitere Freunde, die in der Herengracht 401 den Verlag Castrum Peregrini gründeten und die gleichnamige Zeitschrift herausgaben, die 56 Jahre lang erscheinen sollte, bevor sie 2008 eingestellt wurde. In besonderer Weise dem Erbe und der Rezeption Stefan Georges und seines Umfeldes verbunden, war sie gleichzeitig geistige Klammer einer großen Freundesrunde im alten Europa.

Gisèle ist die letzte Überlebende aus den Gründerjahren, und man darf dankbar sein, dass sie unter uns ist. Ich erinnere mich sehr gern an unser einziges Zusammentreffen und ein etwa einstündiges Gespräch über ihr Leben und über Wolfgang Frommel inmitten ihrer Bilder, als ich gemeinsam mit meinem Wertheimer Freund Wolf Wiechert im November 2009 anlässlich einer Ausstellung von Gisèles Werken im Castrum Peregrini sein durfte.

Heute feiern wir Gisèles 100. Geburtstag und werden auch in Wertheim das Glas auf sie erheben. Herzlichen Glückwunsch, Gisèle!

Gisèle und meine Wenigkeit 2009 im Castrum Peregrini. (Foto: Wolf Wiechert)

Werke Gisèles in ihrer Ausstellung 2009.

Selbstbildnis Gisèles.

Freitag, 7. September 2012

Spätsommerabende

Zwei großartige Abende haben wir in Wertheim erlebt – am Dienstag und gestern. Großartig von A bis Z, denn zum Schluss stimmte auch noch das Wetter. Die beiden Abende stehen am Anfang der sehenswerten Ausstellung »Sie sind keine Randnotiz! Käthe Kollwitz und ihre Kolleginnen in der Berliner Secession (1898-1913)« im Wertheimer  Museum Schlösschen im Hofgarten.

Eine Preview-Veranstaltung am Dienstagabend für die Mitglieder des Förderkreises Schlösschen im Hofgarten hatte rund 40 Prozent der Mitglieder in den Gartensaal des Schlösschens gelockt. Die Kuratorin der Ausstellung, Prof. Dr. Ulrike Wolff-Thomsen aus Kiel, gab dabei gemeinsam mit dem Hausherrn, Museumsdirektor Dr. Jörg Paczkowski, kurzweilige und spannende Einblicke in das Entstehen einer so anspruchsvollen Ausstellung. Nach einem Rundgang durch die Ausstellung gab es auf der Terrasse des zum Park des Schlösschens gehörenden Gärtnerhauses einen Empfang, der sich zu einem heiteren, anregenden, beschwingten, unvergesslichen Sommerabend auswuchs. Der ausgeschenkte Wein mag dabei geholfen haben, die eigentliche Basis aber war die positive Grundstimmung, die offenkundig alle aus der Ausstellung mitgenommen hatten. Jeder hatte nach den im Saal und in den Kabinetten des Schlösschens gesammelten Eindrücken das Gefühl, dass hier nicht nur etwas ganz Besonderes entstanden war, sondern dass nach den kaum weniger interessanten Ausstellungen der letzten Jahre wie etwa der über Max Liebermann und norddeutsche Secessions-Mitglieder eine neue Stufe erklommen worden war. Einer der Stifter, der in die Stiftung Schlösschen im Hofgarten über 70 Werke von Künstlern der Berliner Secession eingebracht hatte, sprach gar davon, dass man nun wohl »einen Durchbruch« geschafft habe.

Gestern Abend nun wurde es zum Schluss ähnlich spät auf der Terrasse des Café-Restaurants im Gärtnerhaus – und ähnlich stimmungsvoll. Zur offiziellen Eröffnung der Ausstellung waren rund 160 Besucher in den Gartensaal gekommen, um die ausgezeichnete Einführungsrede der Kuratorin zu hören und einen ersten Blick auf die Bilder der Künstlerinnen Julie Wolfthorn, Dora Hitz, Sabine Lepsius, Käthe Kollwitz, Ernestine Schultze-Naumburg, Clara Siewert, Maria Slavona, Hedwig Weiß und Charlotte Berend-Corinth zu werfen. Zumindest die Einheimischen werden sich wohl alle vorgenommen haben, die Ausstellung, die bis Anfang November dauert, noch einmal in Ruhe gemeinsam mit dem Partner anzuschauen.

Unter den 160 Gästen waren auch zwei aus Amsterdam, die der Einladung nach Wertheim gefolgt waren. Michael Defuster und Lars Ebert von der Stiftung Castrum Peregrini hatten den langen Weg in Kauf genommen, um die Ausstellung zu sehen und um gemeinsame Projekte mit Wertheimer Freunden zu besprechen, die ihren Ursprung in der Tatsache finden, dass das Schlösschen zwischen 1931 und 1956 auch Treffpunkt und Bezugspunkt des Wertheimer Kreises von Georgeanern um Wolfgang Frommel, Percy Gothein und Edgar Baron Heyking war.

Dichter Wolf Wiechert (l.), Lars Ebert (M.) und Michael
Defuster, Letztere von der Stiftung Castrum Peregrini,
bei der Eröffnungsfeier.


Sonntag, 2. September 2012

Interessante Tage

Die Sommerpause neigt sich auch hier in Baden-Württemberg dem Ende zu, interessante Tage stehen bevor.  Einer davon wird am kommenden Donnerstag, 6. September 2012, die Eröffnung der neuen Ausstellung im Museum Schlösschen im Hofgarten in Wertheim sein, zu der wir auch zwei Gäste vom Castrum Peregrini in Amsterdam erwarten. Die Eröffnungsveranstaltung um 18 Uhr ist öffentlich.

Auf dem Inhalt der Ausstellung habe ich schon in einem früheren Beitrag hingewiesen. Für diejenigen, die sich mit den Georgeanern befassen oder sich ihnen zugehörig fühlen, mag von Interesse sein, dass in der Ausstellung auch Sabine Lepsius geb. Graef (1864-1942) vertreten ist, die ebenso wie ihr Ehemann Reinhold zum Freundeskreis Stefan Georges gehörte. Zu den Gästen in ihrem Berliner Salon zählten unter anderem Künstler wie Rainer Maria Rilke und Geistesgrößen wie Georg Simmel (bitte nicht mit dem anderen Simmel verwechseln!) oder Wilhelm Dilthey.

Wolfgang Frommels Verlag Die Runde veröffentlichte 1935, zwei Jahre nach dem Tod Georges, ihr Werk Stefan George – Geschichte einer Freundschaft. Die Verlagswerbung hob damals auf 13 faksimilierte Briefe Georges und zwölf bis dahin unbekannte Bildnisse ab: Zum ersten Male überhaupt werden hier Briefe Stefan Georges veröffentlicht, und ebenso enthält dieser Band das reichste Bilsdmaterial der gesamten George-Literatur. 

Verlagsprospekt von 1935

 Im Wallstein-Verlag ist 2010 das von Ute Oelmann und Ulrich Raulff herausgegebene Buch Frauen um Stefan George erschienen. Darin findet sich ein von Annette Dorgerloh verfasster Beitrag: »Sie war wenigstens amüsant“. Sabine Lepsius und Stefan George – eine Freundschaft sans phrase?«


Unter anderem um Briefe Wolfgang Frommels wird es Ende dieses Monats in der Beilage der Wertheimer Zeitung zur Michaelis-Messe 2012 gehen. Ich schreibe gerade an einem Artikel über seine Beziehungen zur Familie Langguth in Wertheim. Diese begannen 1920 und reichten bis in die 1960er Jahre.