Dienstag, 13. August 2013

Wertheim Lake in Kanada

Prinzessin Anne zu Löwenstein-Wertheim-Freudenberg
beim King's Cup Race 1923.
Dass vor allem jüdische Menschen seit Jahrhunderten die Namen Wertheim und Wertheimer in alle Welt getragen haben, dass weiß man an Main und Tauber. Dass es aber in der kanadischen Provinz Ontario sogar einen See gibt, der diesen Namen trägt, Wertheim Lake, das ist sicher weniger bekannt.

Namensgeberin wurde posthum Prinzessin Anne zu Löwenstein-Wertheim-Freudenberg (1864–1927), eine geborene Lady Anne Savile, Tochter von John Savile, dem vierten Earl of Mexborough. 1897 hatte sie in London den in Kreuzwertheim geborenen Prinzen Ludwig Karl zu Löwenstein-Wertheim-Freudenberg (1864–1899) geheiratet, den sechsten Sohn des Fürsten Wilhelm (1817–1887).

Aus welchen Gründen auch immer, Ludwig, im Londoner gesellschaftlichen Leben bestens vernetzt, verschwand, kaum dass er ein Jahr verheiratet war, auf rätselhafte Weise von der Bildfläche, um bald darauf auf den Philippinen im Spanisch-Amerikanischen Krieg aufzutauchen. Im unmittelbar anschließenden Philippinisch-Amerikanischen Krieg fand er im März 1899 als Zuschauer bei einem Gefecht in Furageros am Stadtrand von Manila den Tod. Über seine undurchsichtige Rolle auf den Philippinen und seinen Tod durch eine amerikanische Kugel berichtete die Presse in mehreren Artikeln [1] [2] [3] [4].

Seine Witwe, die durch ihre Heirat Deutsche geworden war, nahm unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg wieder die britische Staatsangehörigkeit an. Sie war technisch offenbar sehr interessiert. So berichtete die New York Times 1913, dass sie mit einem selbstbalancierenden Bett gegen Seekrankheit, einer eigenen Erfindung, in New York eingetroffen sei.

1914 bestieg sie erstmals ein Flugzeug – und war fortan von der Fliegerei gefangen. Sie befreundete sich mit Captain Leslie Hamilton, einem Flieger-As des Ersten Weltkriegs, in dessen Maschine sie im King’s Cup Race 1923 mitflog. Zwischen 1922 und 1927 gehörte sie zur Flieger-Szene in ihrem Heimatland, nahm als Pilotin und als Mitfliegerin, unter anderem in einer eigenen Maschine, an Rennveranstaltungen und Flugereignissen teil. Als sie 1925 mit Hamilton von London nach Paris fliegen wollte, wurde die Maschine zuletzt in Folkstone gesehen und war verschwunden. Eine Suchaktion im Ärmelkanal begann. Schließlich wurde die Maschine in Pontoise am Stadtrand von Paris entdeckt, wo sie mit Maschinenschaden hatte notlanden müssen. Prinzessin Anne errang bei ihren Unternehmungen als Pilotin mehrere Flugrekorde.

Ihren letzten Flug trat sie am 31. August 1927 an. Sie hatte Hamiltons Versuch finanziert, erstmals den Atlantik von Ost nach West, von England nach Kanada, zu überqueren, nachdem dies Charles Lindbergh in umgekehrter Richtung  ein Vierteljahr zuvor gelungen war. Gegen alles gute Zureden ihrer Verwandten bestieg sie mit Hamilton und Colonel Frederick F. Minchin den mit einem 450-PS-Jupiter-Bristol-Motor ausgerüsteten Fokker-Eindecker Saint Raphael, der um 7.32 Uhr vom Flugplatz Upavon in Wiltshire abhob.  Zuletzt wurde Saint Raphael mitten über dem Atlantik von der Besatzung der USS Josiah Macy gesichtet. Dann verschwand das Flugzeug.

Am 6. Februar 1928 erklärte ein Londoner Gericht Prinzessin Anne zu Löwenstein-Wertheim-Freudenberg für tot, als Todestag gilt der 2. September 1927. Noch 1928 wurden in der kanadischen Provinz Ontario einige Seen zu Ehren von Fliegern benannt, die ihr Leben bei Pioniertaten verloren hatten. Neben dem St Raphael Lake gibt es seither auch den Hamilton Lake, den Minchin Lake und den Wertheim Lake. Lezterer ist etwa 14 Kilometer lang und anderthalb Kilometer breit.

Quellen im Netz: [1] [2] [3] [4] [5] [6]


Prinzessin Anne und Captain Leslie Hamilton wenige Tage vor ihrem Abflug
1927. Charmanterweise vom Reporter auf »about 50« geschätzt, war die
couragierte Pilotin tatsächlich 63 Jahre alt. -- Vorlage: National Air and
Space Museum, Smithsonian Institution